"O seltsam Gemeinschaft des Tags mit der Nacht"

Konzert "Vida nocturna" (September 1998)

Auf einer "labyrintischen Reise" entführen die vier Musiker, ihr Publikum mit einem melancholischen Tango in das nächtliche Leben von Lissabon, beamen sie sich mit einer russischen Romanze mitten in ein Balkongeflüster in Sankt Petersburg oder mit dem Lied von den Süßkirschen ins verträumte Paris. Da hat ein religiöses Liebeslied aus Brasilien Platz neben einem federnden jiddischen Hochzeitstanz, da treffen wir den indischen Schlangenbeschwörer und den Tanzbären Mikis Theodorakis Arm in Arm tanzend auf dem Theaterplatz in Rom. Oder so.
Überschäumend ausgelassen Was zunächst etwas ungeschliffen, unrasiert und rau erscheint, erweist sich als ausgefeilt, sensibel und exakt. Die vier Musiker verstehen es meisterhaft, sich innerhalb eines einzigen Liedes von wehmütigem Klagen bis zu überschäumender Ausgelassenheit zu steigern und zeigen Liebe fürs Detail. Präzise und schön ist der mehrstimmige Gesang, spannungsvoll und einfallsreich sind die einzelnen Soli, und für jedes Stück finden sie den perfekten Schluß. Samten swingend Verwegen bis verschmitzt blitzen die Augen von Paul Hoom (Akkordeon und Trompete) unter der Hutkrempe hervor, während er die Geschichten zu den einzelnen Stücken erzählt; geschlossen sind sie meist, wenn er leidenschaftlich und kehlig Romalieder, Serenaden und serbische Tänze singt. Fein ist das Zusammenspiel von Geige und Gitarre (Dietrich und Andreas Zöllner), Zwischenapplaus gibt es für den samtenen, swingenden Kontrabaß von Tino Scholz. Mitunter klingen die Lieder aus den verschiedenen Ländem und Kulturen recht ähnlich, was wohl am stark an der Klezmermusik orientierten Stil der Gruppe liegt. Allerdings zeigen sich darin auch die Verbindungen und Gemeinsamkeiten der "Straßenfolklore" auf der ganzen Welt. Die Leidenschaft springt über, das Publikum klatscht und pfeift begeistert mit. Als Zugabe gibt es dann einen "Schlager vom Broadway", das Lied von der Liebe zu einer unvollkommenen Frau: "Bei mir bist du schön". Tosender Applaus.
Maren Feller Göttinger Tageblatt 10.09.98

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