"ÜBERsetzen - Lieder auf schwankendem Boden"

Premiere 02./03. Mai.2009
Dresden, Alter Schlachthof

Gesänge auf schwankendem Boden 

Blaues Einhorn mit neuem Programm

Übersetzungen sind, das hat die Geschichte leider immer wieder bestätigt und wurde von George Shaw letztlich treffend auf den Punkt gebracht, wie Frauen: Die schönen sind nicht treu, und die treuen sind nicht schön. Trotzdem hat sich Das Blaue Einhorn jetzt auf eine Reihe von Übersetzungen eingelassen, trägt die neue CD, die man am Wochenende bei zwei Konzerten im die erwünschte Nähe zum Publikum fördernden Kleinen Saal des Alten Schlachthofs vorstellte, den Titel „Übersetzen – Gesänge auf schwankendem Boden“.
  Im Schlachthof, nicht in einer Kirche wie sonst bei der Premiere eines Programms, spielte man also auf – da alle vier Musiker Hüte trugen, die in einer Kirche aus Gründen des Respekts abzunehmen wären, machte allein das schon Sinn. Die Hüte waren schwarz, wie der Rest der schwarzen Anzugsordnung, mit denen die Künstler ein bisschen an jene frommen Orthodoxen erinnerten, die säkularen Juden Jerusalem zunehmend verleiden und vor allem am Sabbat ins lebensfrohe Tel Aviv flüchten lassen.
  Rund 20 Lieder sind es, die die Mitglieder des Blauen Einhorns arrangierten. In bewährter Manier hat man das musikalische Erbe aus den verschiedensten Ecken der Welt gesichtet, gewogen und das, was ins Konzept passte adaptiert. Auf dem Balkan wurde man fündig, aber auch in Finnland, Lateinamerika und einigen Mittelmeer-Anrainern. Regional also eine bunte Mischung, thematisch zusammengehalten durch das Leitmotiv „Übersetzen“, dem in seiner ganzen Doppeldeutigkeit widmet. In den Chansons, Emigranten- und Fährmannssongs, Balladen und Liebes(leid)liedern geht es, wobei Sänger Paul Hoorn munter zwischen Deutsch und sonstigen Sprachen wechselt, sowohl ums Übersetzen im Sinne von ans andere Ufer gelangen, (wo)anders sein wollen oder weggehen müssen, als auch um Übersetzen im Sinne von sich Fremdes zu Eigen machen, was Das Blaue Einhorn ja schon immer gern praktizierte.
Bei Gianmaria Testa fand man schönes Fremdes, ebenso bei der finnischen Frauen-a-cappella-Truppe Suden Aika oder auch bei Paolo Conte und – man hätte es sich denken können natürlich mal wieder bei Wladimir Wyssozki.
  Fado gesellt sich zu Rembetiko, der Blues der Portugiesen also zu dem der Griechen. Blues, Moll, das ist die vorherrschende Stimmungslage, man kommt mal wieder nicht umhin, die Auswahl der Lieder voller Weltschmerz, Nabelschau und Gemütstiefe als “typisch deutsch“ zu kommentieren.
Nicht immer ist es, wie ein Lied deutlich macht, unbedingt die Neugier, die einen, der übersetzt, in ein fremdes Land treibt. Manchmal sucht da einer auch einfach das Vergessen – nicht selten, weil die Liebe nicht den gewünschten Verlauf nahm, die Liebe gestorben, die Wunde aber noch nicht geschlossen ist. Bei einem Song von Brecht/Weill freut man sich, dass die Wahl des Blauen Einhorns auf keinen der üblichen verdächtigen Gassenhauer fiel, letztlich wird einem aber klar, weshalb das Teil nie zu einem Klassiker mit Ohrwurm-Charakter à la „Seeräuber-Jenny“ oder Kanonenboot-Song“ avancierte.
  Deutlich überzeugender hingegen die alte, bei den Terem-Kosaken überlieferte Weihnachtsgeschichte, die vom Übersetzen in eine andere Welt erzählt. Zwar müssen Paul Hoorn, Florian Mayer, sowie Dietrich und Andreas Zöllner für dieses Lied ihre sonst so famos gespielten Instrumente wie Geige, Akkordeon, Bassgeige oder Bouzouki weglegen, aber der prasselnde Beifall bewies, dass dieser eingestreute A-Cappella-Hymnus schon ein ganz besonderes Schmankerl im ohnehin gewohnt überzeugenden Repertoire ist.

Christian Ruf

DNN, 04.05.2009





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